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Re-Start nach Corona: Österreichs Gastronomie als internationaler Vorreiter

Andere Länder, gleiche Sitten? Wie geht die Gastronomie in anderen Ländern mit den Einschränkungen und Maßnahmen aufgrund des Corona-Virus um? Ein „Lokalaugenschein“ von der Schweiz über England bis zu den Färöer-Inseln.

Zu Beginn starten wir in Österreich: Nicht einmal das trübe Wetter konnte den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern hinter der Rauch Juice Bar die gute Laune verderben. Im runderneuerten Flagship-Store in der Wiener Neubaugasse stand man am ersten Öffnungs-Wochenende nach dem Lockdown endlich wieder (fast) voll im Saft. Die vergangenen Wochen wurden genutzt, um sich optimal auf die Situation vorzubereiten. Denn wie in allen anderen gastronomischen Betrieben des Landes, so ist auch hier vieles neu: Sitzplätze werden den Gästen nun zugeordnet, Tische nach jeder Benützung desinfiziert, Mitarbeiter arbeiten mit Vollvisier und schon am Eingang stehen Desinfektionsspender.

Es ist auch eine Art Testlauf, den die Rauch Juice Bar mit ihren fünf österreichischen Filialen von Wien bis Innsbruck absolviert. Denn die Erkenntnisse aus den ersten Tagen der „neuen Normalität“ sollen auch ein Wegweiser sein für die internationalen Juice Bar-Standorte in Italien und Serbien sowie auch für Deutschland, wo man auf drei „TUI Schiffen“ das Know-how der Juice Bars für die sogenannte Saftwerft zur Verfügung stellt. „Der Blick über die Grenzen schärft das Verständnis für den Umgang mit der Situation“, sagt Lukas Bereuter, Österreich-Geschäftsführer der Rauch Juice Bars. Auch wenn vieles anders ist, eines hat sich nicht verändert: die Leidenschaft für frischgepresste Säfte aus bestem Obst und Gemüse und die Experimentierfreudigkeit, was neue Juices und Shakes angeht.

Italien und Serbien Natürlich ist Dabrovsky auch in ständigem Austausch mit seinen Kollegen in den anderen Ländern. So ist der Standort der Rauch Juice Bar in Algund in Südtirol seit 19. Mai wieder geöffnet, in Belgrad ist die Juice Bar aktuell noch geschlossen. Die Auflagen (Masken, Handschuhe, Desinfektion, Anzahl der Personen im Lokal und Abstand) sind in Serbien ähnlich wie in Österreich. Die Stimmung ist noch zurückhaltend, wie Filialleiter Mihailo berichtet: „Natürlich stehen auch wir hier in Serbien vor der Herausforderung, wie wir mit dem Umsatzrückgang umgehen. Wir gehen von einer langsamen Erholung aus.“

Kaum Auflagen auf den Färöer-Inseln Es ist dieselbe Ungewissheit, die derzeit in allen Ländern vorherrscht. Selbst an jenen Orten, wo man das Virus unter Kontrolle hat. Wie zum Beispiel auf den zum dänischen Königreich zählenden Färöer-Inseln. Hier arbeitet Karin Visth in einem der besten Restaurants Skandinaviens, dem mit zwei Michelin-Sternen ausgezeichneten KOKS. „Nach fast zwei Monaten Stillstand durften bei uns auf den Inseln wieder alle Restaurants öffnen. Wir selbst haben allerdings noch geschlossen, da wir stark von internationalen Gästen abhängig sind.“ Am 9. Mai erklärten sich die Inseln frei vom Virus, den letzten bekannten Fall gab es am 22. April. Insgesamt waren auf den Färöer-Inseln (50.000 Einwohner) 187 Menschen mit dem Virus infiziert, Todesfälle in Verbindung mit dem Virus gab es keine. „Wir planen nun ein Pop-up-Restaurant in der Hauptstadt Tórshavn zu eröffnen, das eine sehr legere Ausrichtung haben wird“, so Visth. Finanzielle Auswirkungen auf die Gastronomie würden auch auf den Färöer-Inseln erwartet, allerdings sieht Visth auch Positives. „Ich denke, dass diese Krise das Bewusstsein der Gäste für regionale Lebensmittel und Spezialitäten stärken wird. Und das wäre eine gute Entwicklung.“

Komplizierte Situation in Deutschland Dieser Meinung bzw. Hoffnung ist man auch in Berlin, wo die beiden Österreicher Willi Schlögl und Johannes Schellhorn mit der „Freundschaft“ eine der besten Weinbars Deutschlands betreiben. Seit 15. Mai hat auch diese wieder geöffnet. „Die Situation hier ist im Vergleich zu Österreich etwas komplizierter“, sagt Schlögl. Was er meint: Die Regeln sind von Bundesland zu Bundesland unterschiedlich. In Sachsen etwa müssen Speisekarten abwaschbar sein, in Mecklenburg-Vorpommern zusätzlich auch Salzstreuer nach Gebrauch desinfiziert werden. Wer in Mainz essen geht, muss drinnen und draußen einen Mund-Nasen-Schutz tragen, ablegen dürfen die Gäste diesen nur, während sie am Tisch sitzen. Mitarbeiter sind teilweise ebenfalls zum Tragen eines Mund-Nasen-Schutzes verpflichtet. Andernorts gilt nur eine Empfehlung. Anders als in Österreich, wo die Steuer auf alkoholfreie Getränke ab 1. Juli und bis Ende des Jahres von 20 auf 10 Prozent gesenkt wird, gibt es in Deutschland die Steuererleichterung auf Speisen – statt 19 werden es 7 Prozent sein, gültig ein Jahr lang ab 1. Juli. Schlögl: „Wir sind vor allem sehr glücklich, dass es endlich wieder losgegangen ist und wir arbeiten dürfen. Eines ist aber klar: Es stehen wohl harte Zeiten für die Gastronomie bevor.“

Zweigeteilte Schweiz Aus der Schweiz berichten indes Gastronomen, dass die Krise nicht alle Betriebe gleich trifft. Während die „normale“ Gastronomie oft nicht einmal auf ein Viertel der Auslastung kommt, schnellen in der absoluten Top-Liga der Gourmetrestaurants die Reservierungen nach oben. Hinter vorgehaltener Hand spricht man sogar von einer Verdreifachung der Anfragen im Vergleich zum Vorjahr. Als Grund wird auch genannt, dass man von den räumlichen Maßnahmen kaum betroffen sei: Maximal vier Personen an einem Tisch und zwei Meter Abstand zum nächsten sind in Spitzenrestaurants nichts Ungewöhnliches. Mund-Nasen-Masken sind in der Schweiz weder für die Gäste noch für die Mitarbeiter vorgeschrieben. Bis zuletzt war auch eine verpflichtende Erfassung der Daten von Gästen (Name, Telefonnummer, Datum, Zeit) vorgesehen, dies beruht nun aber nur noch auf Freiwilligkeit.

England noch im Lockdown Während die Gastronomie in fast allen Ländern Europas mit unterschiedlichsten Auflagen wieder hochgefahren wurde, steht sie in Großbritannien nach wie vor still. In London arbeitet der Oberösterreicher Dominik Ginzinger als General Manager in einer der bekanntesten Weinbars der Stadt, dem „Sager + Wilde Hackney Road“. „Zu Beginn des Lockdowns waren wir – sowie wahrscheinlich jeder andere gastronomische Betrieb – von der Situation überwältigt. Inzwischen haben wir uns aber rasch und motivierter denn je zahlreicher neuer Ideen und Projekte angenommen, die uns auch während des Lockdowns etwas Umsatz bringen“, sagt Ginzinger. So betreiben sie die Weinbar nun vorübergehend auch als Deli und bieten neben Wein und Bier auch hochwertigen Käse, Charcuterie und Antipasti an. An einen Re-Start der Londoner Gastronomie vor Juli glaubt er nicht. Doch auch er ist überzeugt, dass die neue Situation auch Positives bewirken kann. Ginzinger: „Die Gastronomie wird sich wieder mehr auf das Wesentliche fokussieren. In Zeiten der Krise wurde deutlich, dass viele Menschen unter dem Motto ‚Support Your Local Business‘ speziell Klein- und Mittelbetriebe unterstützen, die nachhaltig und regional arbeiten.“