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Die neue Frühstücks-Normalität

Die Gastronomie in Österreich ist nach dem Lockdown wieder gestartet, die Hotellerie steht in den Startlöchern. Wie funktioniert die Umsetzung der Hygienerichtlinien und zugleich das Gastgeber-Sein in der Praxis? Und das speziell beim eigentlich so genussvollen Start in den Tag, dem Frühstück? Wir haben uns umgehört.

Mehraufwand gleich Servicegewinn

„Wir wollen unsere Gäste so viel Gastronomie erleben lassen wie möglich“, erklärt Christoph Wagner vom „We Are Rockets“ in Wien, unter anderem Betreiber des hippen Café-Bar-Restaurant-Konzepts Freiraum, eröffnet 2008. Die Sitzplätze des Objekts in der Mariahilfer Straße hat man entsprechend reduziert, das Ambiente gelüftet und gelockert – ganz dem Namen der Gastronomie gemäß wurde mehr Platz geschaffen. „Wenige Einschränkungen spüren. Viel Freiraum genießen“, lautet das Motto für diesen Sommer. DJs legen auch wieder auf. Tanzen geht zwar erstmal nicht, aber das Wippen mit den Füßen unterm Tisch schon. „Hey, vielleicht mehr Platz zwischen den Tischen, Kellner mit Masken, folierte Speisekarten im 80er Style, vielleicht manchmal etwas improvisiert, minimal kleinere Auswahl, tägliche Änderungen … – aber was solls?“, liest man auf der Homepage. Das wirkt relaxt. Dennoch: Wirtschaftlich betrachtet werde es herausfordernd in den kommenden Monaten, so Wagner. „Aber Gastronomie lebt davon, kreativ und anpassungsfähig zu sein“, sagt der erfahrene Betreiber. Man setze auf einen sorgsamen Umgang mit dem Gast – ohne diesem Verhaltensweisen aufzuoktroyieren: „Wir bleiben positiv und fröhlich!“ „Wait to be seated“, lautet das Motto nun im Frühstücksbereich: Die Gäste werden an ihren Platz gebracht und dort nun auch bedient wie zu den anderen Mahlzeiten: „Es ist ein Mehraufwand für uns, aber für unsere Gäste ist es ein Servicegewinn.“ Die – nunmehr folierte – Frühstückskarte hat man komplett neu geschrieben und startet erst einmal mit einer kleineren Auswahl, die sukzessive ausgebaut werden soll. „Einfach und improvisiert, frisch, saisonal und ständig wechselnd“, so Wagner.

Baby-Elefanten gesucht!

Michael Kröger, Geschäftsführer der Austria Trend Hotels, Teil der großen „Verkehrsbüro Hotellerie GmbH“, setzt im Frühstücksbereich ebenfalls auf ein zunächst reduziertes Angebot. Es soll schrittweise gesteigert werden. Auf ein Frühstücksangebot in Buffetform verzichtet man zunächst und offeriert stattdessen ein etwas kleineres Frühstücksangebot à la carte. Und noch etwas: „Als Alternative bieten wir ein kleines, schnelles Frühstück im Sackerl to go an“, so Köhler. Auf Tischwäsche und Dekoration wird man ebenfalls verzichten, Produkte wie Zucker, Salz und Pfeffer, Marmelade, Honig oder Butter bietet man bis auf Weiteres in Einzelverpackungen an. Das übergeordnete Hygienekonzept ist komplex, es reicht von einer digitalen Schulungsreihe für Führungskräfte und Mitarbeiter über Informationsmaterial für Lieferanten (Motto: „Hygiene im Hotel – die neue Normalität“) bis zu Hinweisschildern an allen Touchpoints vom Aufzug bis zum Zimmer. Und nicht alle Häuser werden am 29. Mai direkt wieder aufsperren. Mit zunächst sieben Hotels in Wien, Salzburg, Oberösterreich und Tirol sowie zwei Campingplätzen fängt die Gruppe wieder an. Vor der Gruppe liegt eine enorme logistische, administrative und freilich auch finanzielle Herausforderung. Gepaart mit Verantwortung: „Wir müssen auch unsere Gäste im Vorfeld darüber informieren, welche Maßnahmen wir für ihre Sicherheit und Gesundheit umsetzen“, so Kröger. Den Humor hat der Geschäftsführer trotz aller Verantwortung, die auf ihm lastet, nicht verloren: Man suche derzeit noch geeignete Baby-Elefanten, die man als Abstandshalter einsetzen könne, lässt er uns wissen. Das würde die Schwimmnudeln, wie sie eine Bäckerei in Deutschland ihren Gästen spaßeshalber zur Einhaltung von Abständen auf die Köpfe gesetzt hat, ebenso toppen wie die dicken Reifen um die Hüften der Gäste, mit denen ein Restaurant derzeit für humorvolles „Social Distancing“ und vor allem für reichlich Klicks auf Facebook sorgt.

Auftritt für die Etagere

Ein Sprung nach Leogang, sommers wie winters ein beliebtes Ziel für In- und Auslandstouristen: Wie stellt sich die Hotellerie hier auf den Neustart ein? Und das speziell, was das morgendliche Frühstücken betrifft, bevor es zum Beispiel in die traumhafte Natur vor Ort geht? Stefan Kohnke vom Fünf-Sterne-Wellness- und Familienhotel Forsthofgut muss etwas schmunzeln: „Wir hatten gerade erst einen riesigen Genussmarkt für unsere Gäste aufgebaut.“ Dieses liebevoll gestaltete Freeflow- und SB-Konzept im Stil einer kleinen Markthalle ist für die aktuelle Situation leider nicht geeignet, daher stellt man auch hier auf Bedienung am Platz um. Einen wahren Klassiker der gehobenen Hotellerie will man dafür reaktivieren: die Etagere. Wie beim „High Tea“ kommen nun Gebäck, Konfitüren, Herzhaftes und mehr auf dem stilvollen – und platzsparenden – Utensil an die Tische. Eierspeisen wie den globalen Klassiker „Egg Benedict“ können sich die Gäste ebenfalls bestellen, für Kids gibt’s eigene, auf den Geschmack kleiner Menschen abgestimmte Frühstücke. Die Säfte füllt man schon seit langer Zeit in kleine, verschraubte Smoothie-Gläser ab – was nun besonders praktisch und den Gästen entgegenkommend ist. Wenn diese ihren Platz einnehmen, finden sie dort ein Hinweisschild mit der Info vor, dass der Tisch soeben frisch für sie gereinigt worden ist. Hygienespender im Eingangsbereich rüstet man gerade um, sodass sie sich in den Stil der Gastronomie einfügen und zwar steril machen, aber nicht so aussehen. Und: Visiere statt Masken. „Wir haben uns im Service dafür entschieden, damit die Mimik nicht versteckt ist. Wir wollen unsere Rolle als Gastgeber mit einem sichtbaren, freundlichen Lächeln ausführen können. Genau wie vorher“, erklärt Kohnke.

Crémant, s'il vous plaît!

Man kann es nicht anders bezeichnen als eine (unverschuldete) Bauchlandung: Gerade mal anderthalb Monate hatte der neue Adlerhof, ein Traditionshaus anno 1874, in der Wiener Burggasse seine Türen geöffnet, als er im März wegen Corona bereits wieder zusperren musste. Das war hart: „Wir wurden von Anfang an geradezu überlaufen und dann muss man schließen“, blickt Manuel Köpf zurück – es ist neben den „Wirr“-Betrieben (einer in der gleichen Straße, einer am Brunnenmarkt) bereits das dritte Objekt, das er zusammen mit Andreas Knünz in der Stadt betreibt. Den Neustart Mitte Mai bilanziert er – wie so viele Kollegen – durchwachsen: „Es war okay.“ Nicht mehr, nicht weniger. Vor allem die derzeit wegbleibende Laufkundschaft zwinge zum Umdenken und -lenken. Umso verstärkter will man den Blick auf die Nachbarschaft im Grätzel richten, der man mit einem eigenen Lebensmittel-Angebot, von Gebäck von der „Bäckerei Schmidl“ aus der Wachau bis zu Milchprodukten und Marmeladen, ohnehin schon ein Nahversorgungs-Sortiment wie eine Greißlerei alter Schule – nur eben im neuen Gewand – bietet. „Wir bauen gerade viel Kommunikation mit der Nachbarschaft auf“, so Köpf. Und zwar von Mensch zu Mensch: Man fragt die Gäste schlicht und ergreifend, wie es ihnen geht und wie es ihnen in den vergangenen Wochen ergangen ist, sucht den Dialog und findet ihn. „Man merkt ganz deutlich, dass viele sich nach einem Gesprächspartner sehnen“, erklärt der Gastronom. Ansonsten versuche man, sich bei allen erforderlichen und einzuhaltenden Regeln möglichst normal zu verhalten – und den Fokus auf den Genuss zu lenken. Bei den Frühstücken – die gab es hier von Anfang an à la carte – tut man das vom einfachen, aber in Top-Qualität daherkommenden Schnittlauchbrot-Frühstück über Pancakes bis zum opulenten Crémant-Frühstück für den ausgiebigen Genuss. Gäste zu verwöhnen, das wolle man auch mit Abstand und Co. unbedingt, so Köpf.

Das Buffet: Comeback-Chancen vorhanden

Es besteht kein Zweifel: Die Schutzmaßnahmen zur fortwährenden Eindämmung der Pandemie bringen gewisse Einschränkungen bei dem, was man in der Gastronomie so schön als „Aufenthaltsqualität“ bezeichnet, mit sich. Doch die Beispiele zeigen: Gastgeber wissen sich damit zu arrangieren und ihren Gästen nichtsdestoweniger eine gute Zeit – und ein genussvolles Frühstück – zu bieten. Ob à la carte oder gar in Form eines Buffets unter besonderen Auflagen (zum Beispiel mit Spuckschutz und anderen Vorrichtungen), das wird sich zeigen. Die Sehnsucht nach dem (Frühstücks-)Buffet ist bei den Gästen offenbar nach wie vor vorhanden. Zu diesem Ergebnis jedenfalls kommt eine in Deutschland durchgeführte Umfrage der „Johannesbad Gruppe“, die unter anderem in Bad Füssing und Bad Hofgastein Hotels betreibt. Immerhin 3.075 Personen nahmen an dieser teil, und 65 Prozent gaben an, dass sie sich auch weiterhin gerne am Buffet bedienen möchten. Kreative Gastronomen und Hoteliers werden in den kommenden Monaten sicher Lösungen finden, wie sich Schutz und Genuss in diesem Sinne gut vereinen lassen.